Dank an meine lieben Ex-Freundinnen
Bis vor etwa zehn Jahren hatte ich mir nie auch nur vorgestellt, einmal selbst mit einem Mann intim zu werden. Gelegenheiten hat es zwar gegeben, ich wurde und werde oft von Männern angesprochen, bisweilen sehr direkt und aufdringlich. Aber darauf einzugehen kam mir nicht in den Sinn. Frauen hielt ich damals einfach für interessanter und schöner.Dann fand ich eine neue Freundin. Nachdem wir erstmalig miteinander geschlafen hatten, sagte sie mir, dass sie, als wir uns kennengelernt haben, schon befürchtet hatte, dass ich homosexuell sei. Bisexuell sei ich aber bestimmt, da war sich sicher. Im weiteren Verlauf unserer Beziehung kam sie immer wieder auf dieses Thema zu sprechen.
Sie liebte es, wenn ich ihr beim Sex Geschichten erzählte und in diese Geschichten ließ ich nach und nach mehr Bi-Elemente einfließen. Es wurde immer offensichtlicher, dass es uns beiden gefiel. Sie war allerdings auch sehr eifersüchtig – sie wollte auf keinen Fall, dass ich real etwas mit einem Mann anfing, weil sie Angst hatte, mich zu verlieren. Angst, verlassen zu werden. Mit ihr konnte ich Bisexualität nur ausleben, wenn sie zum Mann wurde – also schenkte ich ihr einen Strap-On (was auch zu schönen Erlebnissen führte).
Die Beziehung zerbrach schließlich aus anderen, hier irrelevanten Gründen.
Ein halbes Jahr später gewann ich dann das Herz einer neue Partnerin. Zusammen mit dieser wurde ich auf eine Party eingeladen, auf der etliche offen homo- oder bisexuelle Musik-StudentInnen zu Gast waren. Ich war frisch verliebt und schmuste viel mit meiner neuen Freundin. Als wir einmal kurz voneinander lassen mussten, damit sie zur Toilette gehen konnte, trat ein mir nicht persönlich bekannter Pianist an mich heran – und er gab mir völlig unerwartet einen Kuss direkt auf den Mund. Ich war überrumpelt, wehrte ihn schließlich ab und gab ihm dann höflich zu verstehen, dass ich mit meiner Freundin auf der Party sei. Er bat um Entschuldigung und ging. Als meine Freundin zurückkam, erzählte ich ihr von dem Vorfall.
Sie fand es nicht schlimm, dass er mich geküsst hatte. Im Gegenteil. Ich gestand ihr, dass der Kuss mir gefallen hatte, dass der Mann mir gefiel. Sie küsste mich für meine Offenheit und ermutigte mich, zu ihm zu gehen und ihn zu uns zu bitten. Er hatte allerdings die Party schon verlassen. Es war ihm wohl peinlich, dass er bei mir abgeblitzt war. Wir haben uns seine Telefonnummer besorgt.
Am nächsten Wochenende haben wir uns dann zu dritt mit dem Pianisten verabredet. Ich ließ es einfach geschehen, überließ ihm und meiner Freundin den aktiven Part. Seit dieser glücklichen Nacht weiß ich, dass ich wirklich bisexuell bin. Und dass dies unter Umständen auch in einer festen Beziehung ausgelebt werden kann.